Der "Protesttag der Apotheken" am 14.06.2023 und seine arbeitsrechtlichen Auswirkungen

von TGL-Nordrhein

Zum Protesttag am 14.06.2023 wollen bundesweit viele Apotheken schließen.

Im arbeitsrechtlichen Sinn ist diese Aktion übrigens kein "Streik", weil der Begriff "Streik" eine planmäßige und gemeinschaftliche Arbeitsniederlegung einer Vielzahl von Arbeitnehmern meint, die gemeinsam ein Ziel erreichen wollen, bspw. den Abschluss eines besseren Tarifvertrages. Da ein Streik also von den Arbeitnehmern ausgeht, trifft bei einer Teil- oder Komplettschließung der Apotheke durch die Apothekenleitung/den Inhaber (= Arbeitsgeber) der Begriff "Protesttag" eher zu.

An dieser Stelle soll nicht geklärt werden, ob eine generelle Apothekenschließung zulässig ist, da die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch bestimmte Mindestöffnungszeiten gewährleistet sein muss. Am Protesttag selbst wird die Arzneimittelversorgung über die Notdienstapotheken gewährleistet.

Ein Protesttag ist arbeitsrechtlich anders zu bewerten als ein Streik. Die Apothekenleitung sollte im Vorfeld klar kommunizieren,

  • ob und wie sie selbst am Protesttag teilnimmt.
  • ob und in welchem Umfange die Apotheke geschlossen wird

Daraus ergeben sich unterschiedliche arbeitsrechtliche Konsequenzen.

1) Die Apothekenleitung (Arbeitgeber) nimmt nicht am Protesttag teil.

Für Arbeitnehmer ist der Protesttag ein ganz normaler Arbeitstag. Wer am Protesttag und den Kundgebungen teilnehmen möchte, sollte rechtzeitig mit dem Arbeitgeber sprechen. Dieser kann

  • den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge für die Teilnahme von der Arbeitsverpflichtung freistellen.
  • den Arbeitnehmer freistellen, ohne den Lohn zu bezahlen, weil er keine Arbeitsleistung im eigentlichen Sinne erbringt. Dies wird den Arbeitnehmer aber im Zweifel davon abhalten, am Protesttag teilzunehmen.

Es ist die Entscheidung des Arbeitsgebers, ob er den Arbeitnehmer überhaupt freistellt (bezahlt oder unbezahlt). Alternativ kann der Arbeitnehmer für den Protesttag kurzfristig einen bezahlten Urlaubstag beantragen oder – ebenfalls in Absprache mit dem Arbeitgeber – für diesen Tag Überstunden abbauen.

2) Die Apothekenleitung (Arbeitgeber) nimmt am Protesttag teil.

Falls die Leitung

  • morgens die Apotheke öffnet, später aber schließt, um an Kundgebungen teilzunehmen,
  • die Apotheke den ganzen Tag schließt (und sei es, um mit Passanten oder Kunden ins Gespräch zu kommen und ausdrücklich auf die prekäre Situation der Apotheken hinzuweisen),

bedeutet dies für den Arbeitnehmer, dass er bei vorläufiger Apothekenöffnung zunächst seine Arbeit ganz normal aufnehmen muss.

Bei einer Teil- oder Komplettschließung kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht mehr so erbringen, wie es arbeitsvertraglich vereinbart worden ist. Das ist juristisch gesehen ein Annahmeverzug des Arbeitgebers, bei dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung anbietet, diese vom Arbeitgeber allerdings nicht angenommen und dennoch normal entlohnt wird.

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer allerdings trotz Apothekenschließung Arbeiten zuteilen, die auch bei geschlossener Apotheke erbracht werden können, z. B. Inventurarbeiten. Diese Arbeitsleistung ist entsprechend zu vergüten. Das gilt auch, wenn die Apothekenleitung

  • dem Arbeitnehmer keine Arbeiten bei geschlossener Apotheke zugeteilt werden.
  • den Arbeitnehmer vorzeitig nach Hause schickt.
  • dem Arbeitnehmer sagt, dass er wegen der Apothekenschließung am Protesttag nicht zur Arbeit erscheinen muss.

Der Arbeitgeber

  • ist nicht berechtigt, ein Nacharbeiten der ausgefallen Arbeitszeit zu verlangen.
  • kann den Arbeitnehmer nicht dazu verpflichten, gegen seinen Willen aktiv an den Protestaktionen teilzunehmen.

Damit der Apotheken-Protesttag ein voller Erfolg wird, sollten alle Apothekenleiter daran teilnehmen. Dies impliziert eine zahlreiche Teilnahme von Angestellten und Mitarbeitern. Es empfiehlt sich daher für Arbeitgeber, Regelungen mit den Arbeitnehmern zu treffen, damit diese ebenfalls am Protesttag teilnehmen. Denn ein erfolgreicher Protesttag öffnet den Arbeitgebern wahrscheinlich auch mehr finanzielle Spielräume, die wiederum auch den Arbeitnehmer zugutekommen können.

 

Martin Dierkes
Justitiar TGL Nordrhein

 

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